Florian Jaenicke Photography
friedrich und das leben, zeit magazin fotokolumne since 2020
#5
erschienen am 17. Dezember2020
Jeden Dezember machen wir ein Familienfoto, das wir als Weihnachtskarte verschicken. Die Bildidee entspringt der Überlegung, was für uns im zu Ende gehenden Jahr besonders war. Heuer sind wir mehr auf uns gestellt als vor der Pandemie: Die Pflege müssen wir fast allein bewältigen, in der Förderschule wird Friedrich nur die halbe Woche betreut, und täglich lesen wir von hohen Infektionszahlen und sehen Menschen, die die Hygieneregeln nicht einhalten. Das verunsichert uns und lässt uns näher zusammenrücken. Dieses Jahr werden die Festtage für viele auf die Kernfamilie reduziert sein, es wird also keine großen Familienfeiern geben. Ganz so, wie es für Maria, Josef und das Jesuskind gewesen ist, wenn man von ein paar Hirten und Tieren absieht. Frohe Weihnachten!
#4
erschienen am 14. Oktober 2020
Das sind Friedrich und August. In Friedrichs Leben ist August, neben meiner Frau und mir, der wichtigste Mensch. August ist Friedrichs Bruder, er wird ihn also aller Vorraussicht nach länger begleiten als wir Eltern. Manch einer wird sich fragen, warum wir August erst jetzt zeigen, warum ich ihn nicht schon im letzten Jahr in der wöchentlichen Fotokolumne erwähnt habe. Die Antwort lautet, weil wir ihn schützen wollten, weshalb hier auch nicht sein richtiger Name steht. Früher litt er sehr unter Mitschülern, die nicht verstehen wollten, dass sein geliebter Bruder ein wunderbarer Mensch ist und nicht nur ein "Spast" oder "voll behindert", wie er es auf dem Schulhof und leider auch von Erwachsenen hören muss. Wir wollten ihn nicht in eine Situation bringen, die ihm schadet.
Nun ist er älter, selbstbewusster und stolz, dass sein Bruder von vielen Menschen gesehen und gemocht wird. Augusts Leben mit seinem Bruder ist nicht weniger erzählenswert als das von Friedrich selbst. Eines Tages wird er vielleicht in seinen eigenen Worten davon berichten, eine Begabung zum Schreiben hat er.
Ich bin sehr stolz auf ihn.
#3
erschienen am 1. Oktober 2020
Fast sechs Monate dauern die Einschränkungen, seit Tagen geht es im ganzen Land nur darum wie man da wieder raus kommt. Wir wünschen uns sehnlichst eine Rückkehr zu der Struktur mit Pflegern, Transport und Therapeuten, wie wir sie hatten und die wir seit dem Lockdown rund um die Uhr ersetzen müssen. Und doch habe ich mehr Angst um ihn, als zu Beginn der Krise. Angst vor einer zweiten Welle, Angst davor Friedrichs Leben zu gefährden, wenn wir ihn in wieder in die Obhut anderer geben. Angst davor ihn nicht beschützen zu können. Angst ihn zu verlieren.
#2
erschienen am 16. April 2020
" Endlich immer ausschlafen und keine langen Busfahrten in die Heilpädagogische Tagesstätte."Das würde Friedrich wohl erleichtert sagen, wenn er sprechen könnte. Während uns die Ausgangsbeschränkungen und die Schließung von Friedrichs Einrichtung wegen des Corona Virus vor neue Herausforderungen stellt, scheint er es zu genießen wieder von Mama und Papa den ganzen Tag versorgt zu werden, was sonst nur am Wochenende so ist. Im Wohnzimmer hängt noch die Girlande von der kleinen Familienfeier zur Buchveröffentlichung, die wir zu Hause machten, wenn die eigentliche Offizielle schon ausfallen musste. Obwohl unsere Sorge groß ist, dass Friedrich als Teil der Hochrisikogruppe angesteckt wird, versuchen wir - wie so oft - das Beste aus der Situation zu machen, indem wir den ganzen Tag die Carla Bruni Schallplatte spielen, die wir ihm zum Geburtstag schenkten.
#1
erschienen am 12. März 2020
In ein paar Wochen wird Friedrich 15 Jahre alt und das was man Kindheit nennt, verblasst am Horizont, wie Frühnebel an einem sonnigen Morgen. Im letzten Jahr erzählte ich an dieser Stelle rückblickend von Friedrichs Geburt bis heute, den Sorgen und den schönen Stunden mit ihm. Wie schon damals, kurz nachdem wir die Diagnose, schwere Hirnschädigung nach Sauerstoffmangel während der Geburt bekamen, wissen wir auch heute nicht, wie Friedrichs Zukunft aussieht, sie ist schwer zu erkennen, wie Friedrich auf diesem Bild, auf dem er vom Rücklicht seines Behindertentransportes angeleuchtet wird. Jeden Morgen wird er von zwei Fahrern, meist ältere Leute, die damit ihre Rente aufbessern, in aller Herrgottsfrühe abgeholt und in seine heilpädagogische Tagesstätte gebracht. Viele der Fahrer sind selbst schon nicht mehr fit, so dass sie unter dem beschwerlichen Montieren der Rollstühle ächzen. Häufig haben sie selbst Angehörige, die wie Friedrich sind und wissen darum wie wichtig es für uns Eltern ist, dass unsere Kinder sicher zur Einrichtung gebracht werden. Aber schon oft dachte ich mir, dass manche von den Fahrern eigentlich selbst Hilfe brauchen. Unser Leben ändert sich weil Friedrich sich ändert, nicht nur körperlich. Wie für viele Eltern ist die Pubertät eine besondere Zeit, die allen Beteiligten Fragen stellt. Hin und wieder, werde ich an dieser Stelle in Wort und Bild berichten, wie es ihm und uns damit ergeht.
JavaScript is turned off.
Please enable JavaScript to view this site properly.